Mie-Backscattering Spektroskopie, Spekulare Reflexion an dünnen Schichten und Arbeiten in stark streuenden Systemen

Mie-Backscattering Spektroskopie (elastische Lichtstreuungs-Spektroskopie)
Elektromagnetische Wellen können in einem Medium inelastisch wechselwirken wie z.B. die Raman Streuung oder auch elastisch gestreut werden. Voraussetzung für den Streuprozess ist meist eine Phasengrenze im Substrat z.B. eines Partikels, wobei dann durch die Streuung die elektromagnetische Welle in alle Himmelsrichtungen abgelenkt werden kann.

Mit der elastischen Lichtstreuungs-Spektroskopie oder auch Mie-Backscattering- Spectroscopy genannt, ist es möglich, die Textur und Morphologie einer Probe auf molekularer Ebene zu beschreiben. Damit gibt sie komplementäre Informationen zur reinen Absorptionsspektroskopie, die mehr die chemische Zusammensetzung des Moleküls wiedergibt. Insbesondere bei partikulären Systemen in den biomedizinischen Anwendungen hat sie ihre Bedeutung gefunden (siehe Bild einer Glioblastomzelle).

Wenn der Durchmesser signifikant geringer ist als etwa 1/10 der Mess-Wellenlänge λ, dann bezeichnet man dies als Rayleigh-Streuung. Die Streuintensität wächst mit der 4. Potenz der Wellenlänge, was z.B. den blauen Himmel am Tag bewirkt bzw. den roten Himmel am Morgen oder Abend.

Wenn das Partikel wesentlich größer als die Mess-Wellenlänge λ ist, dann kann man die resultierende Streuung mit der Fernfeldnäherung beschreiben z.B. bei d ≥ 5λ mit der Fraunhofer-Streuung. Rayleigh- und Fraunhofer-Streuung beschreiben Grenzwerte der Mie-Streuungs-Theorie.

Die Mie Theorie geht von sphärischen Partikeln aus und lässt sich am besten bei Partikeln anwenden, die in der Größenordnung der untersuchten Wellenlänge des Lichtes liegt. Die Theorie beschreibt die Überlagerung der Teilwellen innerhalb und außerhalb des Streupartikels gewichtet mit dem Streukoeffizienten (siehe Bild für z.B. Latexpartikel). Unter bestimmten Bedingungen entstehen dabei Resonanzen, die zu einer Verstärkung oder Abschwächung der Lichtintensität führen. Die natürlichen Oszillationen erzeugen sowohl niederfrequente Wellen aber auch höher frequente Wellen, die überlagert beobachte werden. Diese hoch- und niederfrequenten Wellen hängen von den Größenparametern des Partikels und dessen optischen Eigenschaften (z.B. Brechungsindex) ab und sind auch wellenlängenabhängig. Diese Oszillationen werden als „morphology dependent resonances (MDR)“ bezeichnet und sind ergeben eine charakteristische spektrale Signatur, die eng verknüpft ist mit der nanoskopischen und mikroskopischen Struktur des untersuchten Objektes.

Die Mie-Backscattering Spektroskopie wird vorzugsweise außerhalb der Absorptionswellenlängen durchgeführt. Auch Partikelarrays wie z.B. in Chromosomen oder zusammenhängende „Agglomerate von Nanopartikeln“ in Zellstrukturen bzw. Sub-Zellstrukturen können heutzutage analytisch gut beschrieben werden. Durch die Änderungen der Größe und des Brechungsindizes werden wegen der hohen Empfindlichkeit der Streulichtspektroskopie auch kleinste Änderungen sichtbar gemacht. Die hohe Empfindlichkeit der Methodik wird begründet durch die um viele Zehnerpotenzen höheren quantenmechanischen Übergangswahrscheinlichkeiten der elastischen Mie-Streuung als die für die in-elastische Absorption.

Spekulare Reflexion und Interferenz an dünnen Schichten
Bei glänzenden Oberflächen wird das einfallende Licht gespiegelt. Entspricht der Winkel des einfallenden Lichtes dem des Beobachtungswinkels, dann spricht man von spekularer Reflexion. An transparenten dünnen (z. B. Oxid-) Schichten auf Metallen wird auf Grund des unterschiedlichen Brechungsindexes and den Phasengrenzen das Licht nicht nur reflektiert, sondern auch teilweise gebeugt. Entsprechend der Fresnel´schen Gleichungen entsteht damit eine Phasendifferenz zwischen der direkt reflektierten Strahlung mit der Reflexion der gebeugten Strahlen was zu einer Interferenz führt. Ein anschauliches Beispiel ist die Beobachtung eines Farbenspiels, wenn auf einer Wasserpfütze ein dünner Film aus Benzin liegt, oder das Farbenspiel eines Schmetterlings, das durch unterschiedlich dicke Schichten aus Proteinen entsteht. Damit lassen sich sehr genau dünne (Mehrfach-) Schichten genau bestimmen. (siehe Bild: Interferenz unterschidlich dicker Oxischichten auf Aluminium)

Arbeiten in stark streuenden Systemen (Vielfachstreuung)
Bei völlig ungeordneten partikulären Systemen werden die von der Mie-Theorie bekannten Oszillationen wegen der Vielfachstreuung oftmals ausgelöscht. Untersucht man deshalb stark streuende Systeme, so werden quantitative Untersuchungen mit spektroskopischen Verfahren sehr aufwändig, weil das Objekt nicht nur absorbiert, sondern auch streut. Die üblichen Datenvorverarbeitungen bei der multivariaten Datenanalyse versuchen zwar die Streuinformation zu unterdrücken; dies gelingt jedoch in komplexen Systemen nur unzureichend.


Abbildung: gemessene örtliche spektrale Verteilung des Aspirinwirkstoffes (rot) in mikrokristalliner Zellulose und die mit Kubelka Munk berechnete Verteilung (rechts) der reinen Streu- (unten) und Absorptionskoeffizienten (oben)

Durch die Auswertung bei unterschiedlichen Wellenlängen oder bei Messungen mit unterschiedlicher Geometrie (multimodale Spektroskopie) lässt sich die Information „Textur“ (hier als Streulichtspektrum) von der Information „chemische Zusammensetzung“ (hier als Absorptionsspektrum) trennen. Basis dafür sind die Methoden und Theorien der „Radiative Transfer Equation (RTE)“, Photonendiffusion, Kubelka Munk Theorie bis hin zur analytischen Lösung der Maxwell Gleichungen.

Diese „Reinspektren“ können dann z.B. als „first principles“ in die Multivariate Datenanalyse integriert werden, um damit z.B. mit der Multivariate Curve Resolution robuste und quantitativ verifizierbare Ergebnisse zu bekommen.